152 - Das Andenken einer Legende bewahren
Birgit Hilbig (Sachsen Medien GmbH) im Gespräch mit Andreas Dietrich: Das Scheitern des Projekts 152
Andreas Dietrich, ehemaliger Militärpilot und langjähriger Ingenieur bei Airbus und den Elbe Flugzeugwerken, sprach mit Birgit Hilbig über eines der ambitioniertesten Flugzeugprojekte der DDR: das Projekt 152. Im Gespräch ging es um die technischen Herausforderungen, die politischen Rahmenbedingungen und die Gründe für das Scheitern des ersten in Deutschland entwickelten Düsenverkehrsflugzeugs nach dem Zweiten Weltkrieg. Dietrich teilte persönliche Einblicke, fachliches Know-how und reflektiert die Bedeutung des Projekts aus heutiger Sicht.
Wie sind die Geschichte des Flughafens und des Flugzeugbaus in Dresden miteinander verbunden?
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schien es zunächst so, als sollten die Projekte der Junkers-Werke Dessau mit ihrem weltweit führenden Know-how fortgesetzt werden – nun im Auftrag der sowjetischen Verteidigungsindustrie. Doch 1946 wurden die in Dessau konzentrierten Ingenieure zusammen mit allem, was man zum Flugzeugbau brauchte, in die Sowjetunion transportiert.
Knapp zehn Jahre später, mit der Rückkehr eben dieser Spezialisten, verfolgte die junge DDR das ehrgeizige Ziel, eine eigene Luftfahrtindustrie aufzubauen. Hierfür wurde Dresden als der am besten geeignete Standort ausgewählt. Wohl auch, um Wirtschaftsspionage seitens des Westens möglichst zu vermeiden. Im neu gegründeten VEB Flugzeugwerke Dresden wurde zunächst die sowjetische Propellermaschine IL-14 in Lizenz gefertigt, um die notwendigen Voraussetzungen für diesen neuen Industriezweig zu schaffen.
Wie kam es zum Bau der legendären 152?
Die Grundlagen für dieses erste deutsche Passagierflugzeug mit Strahltriebwerken legten die im Oktober 1946 in die Sowjetunion deportierten Luftfahrtexperten um Brunolf Baade noch vor ihrer Rückkehr nach Deutschland. Denn Anfang der 50er Jahre war von Seiten der Sowjetunion Interesse am Kauf dieser Maschine signalisiert worden. Ohne Berücksichtigung der Ressourcenlage machte die DDR-Spitze die Entwicklung der 152 zur Staatsaufgabe: Man wollte im prestigeträchtigen Flugzeugbau in der ersten Liga mitspielen. Die Arbeiten kamen jedoch aus vielerlei Gründen, begleitet von erheblichem politischem Druck, nur 1958 erfolgte schließlich der Roll-out des ersten Prototyps; im Dezember des gleichen Jahres startete er zum Jungfernflug.
Mit welchen Schwierigkeiten hatten die Konstrukteure zu kämpfen?
So kurz nach dem Kriegsende waren die Voraussetzungen für ein solch ehrgeiziges Vorhaben denkbar schlecht: Maschinen und Material waren in der DDR knapp und für Importe aus dem westlichen Ausland fehlten die Devisen. Auch die Bereitstellung aus der Sowjetunion lief nicht immer zuverlässig und konfliktfrei. Zudem musste die gesamte Geräte- und Motorenindustrie erst aufgebaut werden. Außerdem verhinderten häufige Umstrukturierungen eine kontinuierliche Entwicklung der 152. Als gegen Ende der 1950er die Zeit immer mehr drängte, kam sogar regelrechtes Chaos auf.
Warum scheiterte das Projekt schließlich ganz?
Es hatte sich bereits abgezeichnet, dass die Maschine nicht mehr konkurrenzfähig war. Entwickelt auf Basis eines Bombers erwies sie sich als zu schwer für einen ökonomischen Betrieb. Ein erheblicher Rückschlag war der Absturz beim zweiten Testflug am 4. März 1959. Als wahrscheinliche Ursache wurde später ein Konstruktionsfehler in der Treibstoff-Versorgungsanlage vermutet. Das bestätigte auch Testpilot Gerhard Güttel, der 1960 den zweiten, verbesserten, Prototyp der 152 flog. Er bemerkte ebenfalls, dass der Treibstoff verzögert bei den Triebwerken ankam. Doch das Treibstoffversorgungssystem generell zu ändern, hätte weitere Jahre Entwicklungszeit und somit Projektverzögerung bedeutet.
Trotzdem fasziniert die 152 heute noch viele Dresdner.
Von Flugzeugen wird immer eine große Faszination ausgehen. Sie stehen für Ingenieursgeist und technische Meisterleistungen. Und die Dresdner sind deshalb ganz besonders stolz auf „ihre 152“. Und: Ohne die Dresdner Flugzeugbauer und die 152 gäbe es heute nicht die Elbe Flugzeugwerke GmbH.
Wie sind Sie persönlich auf die 152 gestoßen, und wie wird ihr historisch gesichertes Andenken bewahrt?
Nahezu alle Dokumente zur 152 lagerten im Betriebsarchiv der Elbe Flugzeugwerke GmbH. Während meiner Tätigkeiten im Archiv, neben meiner eigentlichen Arbeit im Flugzeugwerk, gewann ich einen umfassenden Überblick über das dort eingelagerte betriebsgeschichtliche Erbe der EFW. Über die „IG Luftfahrt 152“ lernte ich dann später den schon erwähnten Gerhard Güttel kennen. Mein gesamtes Leben ist und bleibt untrennbar mit der Luftfahrt verbunden. Als Vorstandsmitglied der Gesellschaft zur Bewahrung von Stätten Deutscher Luftfahrtgeschichte setze ich mich dafür ein, dass mein Wissen über die 152 und die Dresdner Luftfahrtgeschichte für die kommenden Generationen erhalten bleibt.
Übrigens: Alle historischen Akten aus dem EFW-Archiv lagern jetzt im Sächsischen Staatsarchiv.
Interview: Birgit Hilbig